Jack the Dripper: Zum 100. Geburtstag Jackson Pollocks

Jackson Pollock vor seinem Werk «Self portrait». Foto: dpa

Er soff und fluchte, betrog seine Frau und benahm sich wie ein Hinterwäldler - und war Amerikas größter Künstler. Jackson Pollock hat die Malerei mit seinen Bildern und vor allem seiner Technik revolutioniert. Jetzt (28. Januar) wäre «Jack the Dripper» 100 Jahre alt geworden.

Im Grunde sieht es aus, als habe ein Malermeister seinen über die Jahre mit Farbresten bekleckerten Tapeziertisch an die Wand gehängt. Aber es ist Kunst, besonders teure sogar. Denn nicht Rembrandt oder Leonardo da Vinci, nicht Picasso oder van Gogh haben das teuerste Bild der Welt gemalt, sondern ein Amerikaner: Jackson Pollock gehörte zu den größten Malern des 20. Jahrhunderts und etablierte eine eigenständige amerikanische Kunst.

«Sein Einfluss war extrem», sagte die Pollock-Expertin des New Yorker Guggenheim-Museums, Susan Davidson, der Nachrichtenagentur dpa. «Es ging in den USA los, aber dann in die ganze Welt. Das, was er gemacht hat, war einfach neu. Mit ein paar Bildern hat er sich von allem Traditionellen verabschiedet. Und der Einfluss war so groß, das viele heute gefeierte moderne Künstler ohne ihn undenkbar wären.»

Große Geister wachsen normalerweise nicht als Farmersöhne in Cody, Wyoming, auf, einem Städtchen tief in der amerikanischen Provinz. Doch Vater LeRoy legte Wert auf Bildung und Kultur und so wurden gleich zwei seiner Söhne große Künstler: Der älteste, Charles, entwickelte sich zu einem namhaften Expressionisten. Und der jüngste, Paul Jackson, krempelte die ganze Kunstwelt um. Er hat nur ein paar Jahre gemalt, bis er sich endgültig in die Arbeitsunfähigkeit getrunken hatte. Aber das genügte, um der erste amerikanische Maler zu sein, der auch die Kunst in Europa prägte.

Es war Pollocks Technik. Er malte nicht, sondern er spritzte, tropfte, schmierte, schüttete, spachtelte die Farbe auf die am Boden liegende Leinwand. «Action Painting» nannte er das, wenn er sich wie besessen über die Bilder beugte, bis die Farbe so dick aufgetragen war, dass das Bild manchmal eher einem Relief glich.

«Noch heute sagen viele: "Das kann mein Kind auch"», sagt Davidson. «Aber haben Sie es mal probiert? Einen "Pollock" zu machen ist wahnsinnig schwer. Es ist unglaublich, wie er die Farben aufgetragen und komponiert hat. Aber erst, wenn man sich in die Bilder, diese Struktur vertieft, erfährt man ihre ganze Komplexität.»

Doch Pollock hatte sich selbst nicht im Griff. Er trank. Nein, er soff. Seine Alkoholsucht wurde so schlimm, dass er mit 40 kaum noch malte. Der New Yorker Galerist Sidney Janis musste eine geplante Ausstellung in Retrospektive umbenennen, weil es einfach keine neuen Bilder von dem gefeierten, aber ständig sturzbetrunkenen Maler gab. 1955 war es ganz vorbei mit dem Malen. Eine Europareise seiner Frau, der Künstlerin Lee Krasner, war mehr eine Flucht. Pollock nahm sich eine Geliebte, trank - nur malen konnte er nicht mehr.

Im August 1956 fuhr Pollock mit der Geliebten und einer Bekannten beim Örtchen Spring auf Long Island herum. Hier an der Westspitze der Insel, deren Ostspitze den größten Teil der Stadt New York bildet, hatten er und Krasner Haus und Atelier. Der 44-Jährige war schon oft betrunken gefahren, doch diesmal überschlug sich das Cabriolet. Die Geliebte überlebte, doch ihre Freundin starb - und Pollock.

«Jack the Dripper», «Jack, den Tropfer», nannte zwei Jahre später «Time» den revolutionären Maler. Genau 50 Jahre später wurde Pollocks «No. 5» von 1948 für 140 Millionen Dollar verkauft. Das war Rekord. Zwar gibt es Gerüchte, dass Paul Cézannes «Kartenspieler» im letzten Jahr für noch mehr verkauft wurden, aber darum ranken sich noch viel mehr Legenden als um den Käufer von «No. 5». Und so ist bis heute ungewiss, wo Pollocks Meisterwerk denn nun hängt. Klar ist nur, dass zum «Action Painting» auch ein «Actionpreis» kam.

Noch heute sei der Künstler unglaublich präsent, meint die Guggenheim-Expertin Davidson. «Pollock ist zeitlos wie Picasso. Er wird immer wiedererkannt. Es gibt gewisse Künstler, die ewig sind: Leonardo, Rembrandt, Picasso - und auch Pollock. Diese Stellung wird er nie verlieren.»