Künstler entdecken die Tattoo-Kultur

Schick ist, wer sich stechen lässt

Beinahe täglich tauchen in der internationalen Presse Meldungen über die neuesten Tattos der Stars in Hollywood auf: Gerade zeigte sich Teenieschwarm Justin Biber mit einem frisch gestochenen Jesus-Abbild auf der Vade, Lindsay Lohan brachte mit dem Statement "Life without regrets" tätowiert auf ihr linkes Handgelenk mal wieder ihr Lebensmotto zum Ausdruck und Schauspielerin Kirstie Alley ließ sich vergangene Woche die Initialen ihrer Kinder auf dem Arm verewigen. Vor laufender Kamera in einer Fernsehshow.

Die ehemalige Knast-Kultur der Tattoos ist schon längst salonfähig geworden. Schick ist, wer sich stechen lässt. Das klischeehafte Bild der harten tätowierten Jungs auf Motorrädern hat sich geändert. Bei der dauerhaften Hautbemalung denkt man heute eher an Angelina Jolie, David Backham oder die Gattin des deutschen Bundespräsidenten - sie trägt ein Tribal-Tattoo auf dem Oberarm - als an Anker und Kreuze auf muskelbepackten Männerarmen.

Doch nicht nur bei den Stars sind die unter die Haut gestochenen Symbole und Botschaften so beliebt, auch die Kunstwelt setzt sich mehr mit Ausdruck und Einfluss von Tattoos auseinander.

Häufig haben die Künstler, die Tattoos zu ihrem Motiv machen ihre Wurzeln in der Street Art, der Subkultur der Graffiti-, Hip-Hop-, Rap- und Skaterszene sowie der Kunst der Comics und japanischen Mangas.

Auch der belgische Künstler Jean-Luc Moerman hinterließ zuerst seine urbanen Tattoos auf Wänden, Fenstern und Autos, bevor er sie auf Papier und Leinwand oder auf menschlicher Haut verewigte.

Marilyn Monroe, Madonna, Cindy Crawford oder Präsident Barack Obama – der 1967 in Brüssel geborene Moerman bedeckt die Haut von Models, Politikern oder internationalen Jet-Settern mit seinen einzigartigen Ornamenten. Zwei komplett verschiedene Welten treffen aufeinander, wenn die Akte alter Meister, wie Cranachs Lucretia, als Bildträger für seine Tattoos dienen.

Die ursprüngliche Symbolik löst sich auf, eine neue ironische, gesellschaftskritische aber auch verehrende Bedeutung entsteht. Mit seinen biomorphen Mustern auf den Körpern scheinbar unsterblicher Ikonen bringt er die Vergänglichkeit der Symbole zum Ausdruck.


Dem mexikanischen Künstler Dr. Lakra hingegen geht es in seiner Tattoo-Kunst um Ideologien, die er auf den meist weiblichen Körpern durch Symbole collagiert. Er bearbeitet Ausschnitte aus mexikanischen Magazinen der 50er Jahre - Pin-up-Girls, Ringer und Werbeschönheiten - und bricht die idealisierten Figuren, indem er sie in Tinte mit Fledermäusen, Dämonen und Spinnen bemalt.

Dr. Lakras Kunst wirkt oft grotesk. Bei ihm vermischen sich Teufelskult mit Schönheitswahn, kitschige Erotik mit Sciencefiction.


Auch Shawn Barber konzentriert sich in seinen Gemälden ganz auf die zeitgenössische Tattoo-Kultur. Sein Motiv ist die Intimität. Der Tätowierte offenbart sich dem Betrachter. Barbers akribische Pinselstriche und seine leuchtenden Farben bringen dabei seine Verehrung für den Kult um die permanente Körperbemalung zum Ausdruck.