Paris feiert den Pop-Art-Künstler Roy Lichtenstein im Centre Pompidou

Nicht nur Blondinen & Comic-Helden - Roy Lichtenstein Retrospektive im Pariser Centre Pompidou

Roy Lichtenstein Retrospektive im Centre Pompidou in Paris: "I'd rather sink than call Brad for help"

Roy Lichtenstein - I'd rather sink than call Brad for help!

Nach Chicago, Washington und London feiert jetzt das Pariser Centre Pompidou mit 130 Werken in einer umfangreichen Retrospektive (bis 4. November 2013) den Pop-Art-Künstler Roy Lichtenstein, der vor knapp 90 Jahren geboren wurde (1923-97).

Ein eleganter Parcours trägt den Besucher durch zehn Räume, in denen nicht nur die berühmten, von Comics und Werbung inspirierten Bilder wie „Oh,Jeff... I love you, too...but,“ (1964) entdeckt werden können, sondern auch jene Werke des vielschichtigen, hoch komplexen Künstlers, die seine intensive Auseinandersetzung mit der Moderne und dem Abstrakten Expressionismus zeigen. So faszinierten ihn Künstler wie Picasso, Piet Mondrian, Paul Cézanne, Fernand Léger und  Henri Matisse. In seiner Arbeit „The Artist’s Studio: The Dance“ (1974) vereinnahmt er das bekannte Motiv „Der Tanz“ von Matisse in seine eigene, von Comic-Ästhetik geprägte Bildsprache. Dabei wird der brillante Zeichner deutlich: seine Kunst ist Linienkunst – ähnlich jener der Linien-Meister Matisse und Picasso.

The White Tree, 1980 © Estate of Roy Lichtenstein

Roy Lichtenstein

Gemeinsam mit Andy Warhol und Robert Rauschenberg bestimmte Lichtenstein (1923-1997) die Kunst der 60er Jahre, die ganz im Zeichen der Popkultur stand. Auf seine großäugigen Blondinen, Bomberpiloten und Comic-Helden legte Lichtenstein ein schwarzes Raster mit den Punkten und Linien des Massendrucks. Bilder, für die er sich als der „schlechteste Maler Amerikas“ (Life Magazin) beschimpfen lassen musste. Doch die Galeristen Leo Castelli und Ileana Sonnabend wurden auf seine Arbeiten mit den Sprechblasen aufmerksam, stellten ihn aus und schon schwärmten die Kritiker vom frechen, subkulturellen Alltag in Lichtensteins Bildern. Man könnte seine Pop-Bilder als Parodie interpretieren, doch nichts liegt dem Künstler ferner: „Ich bewundere die Dinge, die ich scheinbar parodiert habe.“ Reklame und Comics sind für ihn fesselnde Themen. „Das Sujet meiner Arbeit betrifft unsere amerikanische Definition von Bildern, von visueller Kommunikation.“ Denn die Pop-Art blickt in die umgebende Welt hinaus – ohne diese zu werten.

"LICHTENSTEIN: Expressionism" Installation view © Estate of Roy Lichtenstein - Photo by Zarko Vijatovic

Roy Lichtenstein

In den 80er Jahren entsteht „Mural with a Blue Brushstroke“, eine Wandmalerei mit dem „größten Pinselstrich“, der minutiös großformatig nachgezeichnet selbst zum Motiv wird. Mit seinen stilisierten „Brushstrokes“, eine Referenz an den Abstrakten Expressionismus und die Kalligraphie,  gestaltet er auch Porträts und Landschaftsbilder. In seinen letzten Lebensjahren entwickelt er seine „Landscapes in Chinese Style“ mit Bergketten und filigranen Bäumen. Sie verzaubern mit zarter, transparenter Farbgebung, erinnern an das berühmte „sfumato“ von Leonardo da Vinci, das sich wie Nebelschwaden über der Landschaft legt. Die zahlreichen Skizzen und Zeichnungen, die seinen Bildern vorausgehen, sind erstmals in dieser Ausführlichkeit in der Pariser Retrospektive zu sehen. Sie geben einen intimen Einblick in die Entstehung der Werke Lichtensteins.

Auch in Zusammenarbeit mit der Lichtenstein Foundation zeigt die Pariser Dépendance der Gagosian Gallery „Lichtenstein:Expressionisme“ (1. Juli bis 12. Oktober 2013). Schon früh befasste sich der Künstler auch mit dem Deutschen Expressionismus, studierte die Werke von Jawlensky, Kirchner, Nolde, Pechstein, übte sich im Holzschnitt. Er übertrug diese stilistischen Elemente auf die Palette seiner elementaren Farben und seine Pop-Ästhetik. „The Head“ (1980), einen kolorierten Holzschnitt hat Lichtenstein auch als bemalte Bronzeskulptur gestaltet: „Expressionist Head“. Die Ausstellung ergänzt mit einem weiteren Beispiel die große Retrospektive, und zeigt, wie furchtlos und unbefangen der Amerikaner Roy Lichtenstein aus der europäischen Kunst des 20. Jahrhunderts schöpfte.

Woman Drying Her Hair, 1980 © Estate of Roy Lichtenstein

Roy Lichtenstein